Verantwortung und Veränderung
Wie Industrie, Handel, Politik und wir Verbraucher Mikroplastik aus Kosmetika verbannen
Mikroplastik in Kosmetika ist kein Naturgesetz – es ist eine Entscheidung. Und Entscheidungen lassen sich ändern. Dieses Kapitel zeigt, wie Hersteller, Händler, Politik und jede einzelne Person ihren Teil dazu beitragen können, Kunststoffe konsequent aus Formulierungen zu entfernen und wirklich saubere Schönheit möglich zu machen.
Was Hersteller jetzt tun können
- Transparenz bauen: vollständige INCI-Angaben online, verständliche Erklärungen zu jeder polymeren Substanz, klare FAQ zu Alternativen.
- Substitution vorantreiben: feste Mikropartikel (z. B. PE, PP, Nylon) und funktional ähnliche synthetische Polymere (z. B. PMMA, Acrylate) durch beste verfügbare Alternativen ersetzen – mineralische, pflanzliche oder biobasierte Lösungen.
- Formulierung neu denken: Performance über Sensorik definieren: Textur, Haltbarkeit und Optik mit smarten Partikelgrößen, Wachsen, Stärken, Zellulose, Kieselsäure, Tonmineralien oder Fermenten erzielen.
- Strenge interne Listen: „Negative List“ für alle Arten von Mikroplastik und kritisch bewertete Polymere (inkl. flüssiger/gelartiger), „Positive List“ für geprüfte Alternativen samt Ökobilanz.
- Unabhängige Prüfung: externe Laborchecks, Rückstandsanalytik und Belastungstests im Abwasser – Ergebnisse veröffentlichen.
- Design für Kreisläufe: wasserfreie, feste Formate, Refill- und Pfandsysteme, recyclingfähige Monomaterial-Verpackungen.
Was der Handel bewegen kann
- Einkaufspolitik mit Klartext: Listung nur für Marken mit verbindlicher Mikroplastik-Verzichtserklärung und Substitutionsfahrplan.
- Regale kuratieren: klare Kennzeichnung „mikroplastikfrei“, Platzierung auf Eye-Level, Produktempfehlungen nach Wirkfeld (z. B. „Soft-Focus ohne Plastik“).
- Digitale Transparenz: INCI-Filter im Shop, Badge-System, Scan-Funktionen in der App, Vergleichsansichten „mit/ohne Polymer“.
- Rücknahme & Refill: Sammelstellen, Gratis-Refills, Bonusprogramme für Verpackungsrückgabe.
Woran sich die Politik orientieren kann
- Breite Definition: regulatorische Vorgaben, die neben festen Partikeln auch lösliche/gelartige synthetische Polymere adressieren.
- Klare Kennzeichnung: Pflicht zur verständlichen Verbraucherinformation über Polymere und Alternativen – on-pack und online.
- Beweislast umkehren: nur Polymere zulassen, die Umweltverträglichkeit, Abbaubarkeit und Unbedenklichkeit belegen.
- Förderung von Innovationen: Forschung, Start-ups und Pilotprojekte für biobasierte Lösungen fördern; Schnellspur für Eco-Design.
- Einheitliche Prüfstandards: harmonisierte Testmethoden für Abbaubarkeit, Ökotoxikologie und Kläranlagen-Rückhaltegrade.
Was jede und jeder sofort tun kann
- Smart einkaufen: INCI prüfen oder Apps wie CodeCheck / Beat the Microbead nutzen; bevorzugt zertifizierte Naturkosmetik.
- Wasserfreie Formate: feste Shampoos, Conditioner-Bars, Puder- und Balm-Formate wählen – meist mit weniger synthetischen Polymeren.
- Nachfüllen statt neu kaufen: Refill-Systeme unterstützen, Mehrweg bevorzugen.
- Stimme nutzen: Marken anschreiben, Bewertungen hinterlassen, Social-Posts setzen – Nachfrage verändert Sortimente.
- Rituale anpassen: Abschminken mit wiederverwendbaren Pads, sparsame Dosierung, Produkte vollständig aufbrauchen.
Hersteller-Checkliste für „mikroplastikfrei“ Claims
- Scope klären: Gilt der Verzicht nur für feste Partikel oder auch für gelartige/gelöste Polymere?
- Liste veröffentlichen: vollständige Negativliste (z. B. PE, PP, PA/Nylon, PMMA, Acrylate, bestimmte Siloxane).
- Alternativen transparent: welche Rohstoffe wurden eingesetzt, wie ist ihre Umweltbilanz, sind sie nachweislich biologisch abbaubar?
- Audit & Labor: unabhängige Prüfberichte, Zertifikate, Serien-Stichproben.
- Ökodesign: Rezeptur & Verpackung gemeinsam betrachten – Recyclingfähigkeit & Refill inkludiert.
Kommunikation: Vorbild statt Greenwashing
Ehrliche Kommunikation nennt Klartext: Was wurde entfernt? Wodurch ersetzt? Welche Trade-offs gibt es? Konsumenten belohnen das mit Vertrauen und Loyalität.
- Do: Roadmap, Meilensteine, externe Verifizierung, verständliche Grafiken, Updates bei Fortschritt.
- Don’t: schwammige Begriffe („frei von Mikroplastik*“) mit Sternchen und unklarem Scope.
Praxis: Muster-Selbstverpflichtung (Brand Pledge)
Wir verpflichten uns, in all unseren Kosmetika auf feste und gelartige/gelöste synthetische Polymere zu verzichten, sofern deren Umweltverträglichkeit nicht eindeutig belegt ist. Wir veröffentlichen eine Negativliste, prüfen alle Rezepturen extern, ersetzen problematische Stoffe durch nachweislich bessere Alternativen und berichten jährlich über Fortschritte, Laborergebnisse und neue Lösungen.
Praxis: E-Mail-Vorlage an Marken
Mit dieser Vorlage machst du Druck – höflich, konstruktiv, wirksam:
Betreff: Mikroplastikfreie Rezepturen & Transparenz Ihrer INCI-Listen
Guten Tag,
ich nutze Ihre Produkte gern und achte auf umweltfreundliche Formulierungen.
Bitte teilen Sie mit:
1) Verzichten Sie vollständig auf feste und gelartige/gelöste synthetische Polymere?
2) Gibt es eine veröffentlichte Negativliste inkl. PMMA/Acrylate/Siloxane?
3) Welche Alternativen setzen Sie ein und wie sind diese geprüft?
Vielen Dank für Ihre Transparenz – das beeinflusst meine Kaufentscheidung.
Freundliche Grüße
KPIs für echte Veränderung
- Polymer-Reduktionsquote: Anteil der SKUs ohne Mikroplastik/Polymere.
- Impact-Messung: geschätzte Vermeidung von Polymer-Einträgen (g/Jahr) pro Produktlinie.
- Refill-Rate: Anteil nachfüllbarer Produkte und Wiederbefüllungen.
- Recyclingfähigkeit: Anteil der Monomaterial-Verpackungen mit nachgewiesenem Sorting-Code.
- Transparenz-Score: Vollständigkeit, Verständlichkeit und Audit-Tiefe der veröffentlichten Daten.
Häufige Mythen – kurz widerlegt
- „Ohne Mikroplastik funktioniert Kosmetik nicht“: Doch – mit mineralischen, pflanzlichen und biobasierten Alternativen.
- „Flüssige Polymere sind unproblematisch“: Viele reichern sich in der Umwelt an; der Effekt kann ähnlich kritisch sein.
- „Das bisschen pro Produkt ist egal“: In Summe entstehen enorme Einträge. Vermeidung wirkt sofort.
Wandel ist machbar – und messbar
Veränderung beginnt nicht im Labor, sondern mit Haltung und klaren Entscheidungen. Wenn Industrie transparent ersetzt, Handel konsequent kuratiert, Politik kluge Leitplanken setzt und wir alle bewusst wählen, wird aus Clean Beauty gelebte Realität. Schritt für Schritt – Produkt für Produkt.